Migros M-Plus Abomodell wie Amazon Prime Schweiz
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PLATTFORMEN: MIGROS M-PLUS: DAS AMAZON PRIME DER SCHWEIZ EXPANDIERT

Amazon macht es mit Prime. Walmart mit Walmart Plus. Nun rollt auch die Genossenschaft Migros Aare ihr Pilotprojekt M-Plus nach einjähriger Testphase im grossen Stil aus. Neben Amazon Prime ist damit M-Plus erst das zweite Kundenbindungsprogramm dieser Art auf dem europäischen Festland, das über bisherige CRM Programme wie Payback oder die Coop Supercard hinausgeht und das bestehende Migros Ökosystem ergänzen und deutlich erweitern soll. Grund genug, sich dieses spannende Modell einmal genauer anzuschauen.

Ökosysteme und Plattformen – Warum ein Programm wie Migros M-Plus

Bei digitalen Geschäftsmodellen spielen immer stärker Daten und die Kreation von Ökosystemen eine entscheidende Rolle zur Kundenbindung. Und neben dem Schaffen von beidseitigen Vorteilen auch eine fokussierte Monetarisierung, die über klassische CRM-Programme wie Payback, Tesco Clubcard, Ikea Family, Cumulus oder die Coop Supercard hinausgeht. Ein Vorreiter hierfür ist Amazon mit seinem Prime-Programm, einem optionalen, kostenpflichtigen Abonnement, mit dem Amazon Kunden auf zusätzliche Services zugreifen, die für die regulären Kunden nicht oder nur gegen Entgelt verfügbar sind. Die bekanntesten Amazon Prime Dienstleistungen sind die schnellere Prime-Lieferung, Prime Music und Video, oder auch Prime Gaming. In 2020 nutzten weltweit über 150 Mio. Kunden das Amazon Prime Programm, das seit 2007 in Deutschland und seit 2014 auch in Österreich verfügbar ist. In Deutschland ist laut Schätzungen des Branchen-Portals t3n ein Amazon Prime Abo in fast der Hälfte aller Haushalte vorhanden. Und erreicht mit mehr als 17 Mio. Prime-Abos über 35 Millionen Nutzer. Eine beachtliche Zahl, die die wahre Amazonisierung besser zum Ausdruck bringt als jede Umsatzkennzahl. Und die potentielle Macht und der realisierbare Lock-In-Effekt eines Abomodells.

Mit dem in 2018 geschlossenen Abkommen zwischen der Schweizerischen Post und Amazon zur schnelleren Warenverzollung wird schon seit längerem gemunkelt, wann Amazon mit der Schweiz als letztes verbleibendes Land die DACH-Region mit Prime komplettiert.

Die Genossenschaft Migros Aare schickt sich nun an, mit M-Plus sukzessive den Schweizer Markt zu besetzen und Kundenvorteile in einem völlig neuen Ökosystem zu schaffen, das weit über das bisherige Cumulus-Kundenkartenuniversum hinausgeht. Das Ziel dahinter: Schaffen von beidseitig nachhaltigen Lock-In-Effekten und damit den Markt für weitere Eindringlinge von Aussen – sprich Amazon – unattraktiver zu machen. 

Im September 2020 startete Walmart in den USA mit Walmart plus ein ähnliches Vorteilsabo, um mit über einer Dekade Verspätung mit Amazon Prime nachzuziehen. Die Inhalte: Gratislieferung von Onlinelebensmittelbestellungen am gleichen Tag, keinen Mindestbestellwert bei Near- & Non-Food auf Walmart.com in Kombination mit Gratislieferung und Verringerung der Lieferzeit auf ein oder 2 Tage (regionsabhängig). Rabatte auf Benzin sowie Nutzen der Scan & Go Lösung im stationären Laden sind weitere Kundenvorteile des Programms, das für 98 USD/Jahr verfügbar ist. Allerdings zeigte sich, dass es als Late-mover wesentlich schwieriger und teurer ist, einen bestehenden, besetzten Markt zu erobern. Das Vorgehen der Genossenschaft Migros Aare kann also als wichtiger nächster Schritt gesehen werden, um sich eine relevante Vorreiter-Position im derzeit noch unbesetzten Schweizer Markt zu sichern. Zudem kann dies allenfalls als ein Zeichen für einen baldigen nationalen Rollout für ein Konzept gedeutet werden, das nun auf grösserem Gebiet noch einer letzten Feuerprobe unterzogen wird.

M+ Das neue Abomodell der Migros

Teilnehmende Formate aus dem Migros Universum (Quelle: M-Plus)

Wie es zu M-Plus kam –Die Genossenschaft Migros Aare als Innovations- & Umsetzungstreiber 

Vor rund eineinhalb Jahren wurde die Idee eines Abomodells in der Migros Aare aufgegriffen, entwickelt und in den vergangenen zwölf Monaten mit einer Closed User Group auf Machbarkeit und Marktreife getestet. Die Ziele: Schaffen eines Ökosystems, das dem Kunden die gesamte Welt der Migros näherbringt sowie ihn durch Einfachheit und umfassenden Service langfristig bindet. M-Plus war geboren. Mit dem Start von M-Plus diesen Juni im gesamten Gebiet der Migros Genossenschaft Aare ist ein grosser Schritt heraus in die breite Masse mit umfassendem Rebranding und gross angelegtem Test weiterer Vorteile für den Kunden geglückt. Dies verwundert nicht, hat doch die Innovationsabteilung Migros Aare New Business bereits mit anderen innovativen Angeboten von sich zu reden gegeben; beispielsweise mit dem Lebensmittel-Lieferdienststartup myMigros oder der Live-Videoberatung in den Fachmarktformaten der Migros.

Cockpit von M-Plus mit Gamification (Quelle: M-Plus)

Die Vorteile zum Start: Verknüpfung von über 15 Shops in einem Universum, Gamification und die bestehende Cumulus-Vorteilswelt

Gegen eine Abogebühr von CHF 9.90 im Monat können Kunden zum Start die folgenden Vorteile in mehr als 15 Shops und Filialen der Migros Welt nutzen:

  • Kein Mindestbestellwert und keine Liefergebühr, 
  • Doppelte Cumulus Punkte des hauseigenen Treueprogramms,
  • Dauerhaft 10 Prozent auf die Top 5 Produkte des Migros Supermarkts,
  • Exklusive weitere Angebote für Abo-Nutzer.

Dabei gelten die gewährten Vorteile online- als auch offline, egal in welcher Einkaufssituation sich der Kunde gerade befindet. Folgende Partner nehmen am Abomodell M-Plus teil: Bike World, Digitec, Do it + Garden, Galaxus, Melectronics, Micasa, Migrol, Migros Online, Migros Restaurant, Migros Supermarkt, Migros Take Away, myMigros, SportXX, VOI, Zur Rose Apotheken. Somit deckt M-Plus bereits zum regionalen Rollout ein mehr als ansehnliches Spektrum im heute bestehenden Migros-Universum ab. 

Die technische Integration der Nutzer in M-Plus erfolgt dabei über das Cumulus-Treuepunkteprogramm und das gruppenweit bestehende Migros-Login, mit dem der Wechsel zwischen verschiedenen Formaten der Migros durch Nutzen eines Single-Sign-On-Login möglich ist. Einmal registriert, kann ein Kunde damit in allen zur Migros gehörenden Onlineshops einkaufen, ohne sich erneut registrieren zu müssen. Das Cumulus-Programm hilft, den Kunden über die Treuepunktekarte auch im stationären Handel zu identifizieren und ihm damit im Omnichannel-Kontext über alle Kanäle hinweg die gleichen Vorteile offerieren zu können. Zudem kann sich der M-Plus Nutzer im neu gestalteten Cockpit über seine bisherigen Sparbeträge informieren. Das Cockpit wurde ebenfalls mit Gamification-Elementen, wie bspw. erreichtem Spar-Level ausgestattet, um die Nutzung aus Kundensicht noch attraktiver zu gestalten. 

M-Plus befindet sich heute am Anfang einer steten Weiterentwicklung. Weitere Partner, mit zusätzlichen, teils auch personalisierten Vorteilen für M-Plus Kunden sollen folgen. Denkbar sind hier beispielsweise Ermässigungen aufs Abo im Migros-eigenen Fitness Club, Sameday-Delivery für die Migros Fachmarktformate, eine Einbindung in Kurse der Migros Clubschule oder weitere Spezialrabatte.

M-Plus Abo Odell der Migros Genossenschaft Aare

M-Plus: Auch auf dem Smartphone immer dabei (Quelle: M-Plus)

Fazit

M-Plus ist schweizweit das erste Programm seiner Art, mit dem die Genossenschaft Migros Aare wieder einmal ihrer innovativen Vorreiterrolle als Inkubator für neue Geschäftsmodelle im Schweizer Markt gerecht wird. Aus Kundensicht bleibt zu hoffen, dass dieses neue Abomodell nicht nur in der regionalen Ausdehnung bleibt, sondern zum nationalen Rollout gebracht wird, was Omnichannel Handel und Plattform-Ökosysteme im Schweizer Detailhandel auf eine völlig neue Stufe katapultieren würde. 

Dieser Beitrag erschien erstmals bei etailment – Das Digital Commerce Magazin von Der Handel

ÜBER DEN AUTOR

Prof. Dr. Matthias Schu ist der führende E-Food-Experte im DACH-Raum und Autor von «Das E-Food Buch». Nach über einem Jahrzehnt in leitenden Positionen in Beratung, Business Development und Projektmanagement im In- und Ausland, lehrt er seit September 2020 als Dozent für E-Commerce und Handel an der Hochschule Luzern. Zudem berät und unterstützt er mit seiner Boutiqueberatung «Dr. Matthias Schu | retail I ecommerce | internationalization strategy», Händler und Industrie bei Projekten, Prozessen und Strategie.

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