FOOD BEI FLASCHENPOST: LANGSAMER ALS QUICK COMMERCE – MIT 2 STUNDEN LIEFERUNG DEUTLICH SCHNELLER ALS DER REST
Neben einer gross angelegten Expansion in 2020 stand Flaschenpost vor allem durch die Übernahme des Familienkonzerns Oetker im medialen Fokus. Und dem Einstampfen und Integrieren des hauseigenen Oetker-Getränkelieferdiensts Durstexpress zu Gunsten der Marke Flaschenpost. Dann wurde es bis zur Ausdehnung des Lebensmittel-Liefergebiets nach erfolgreichem Test im Raum Münster eher ruhig. Zeit, einmal einen genaueren Blick auf Flaschenpost und den neuen E-Food Service zu werfen.
Die Anfänge – vom Nischen-Spezialist zum Supermarkt-Einkauf
Flaschenpost startete im März 2016 als Nischenspezialist für Getränke in Münster, um von dort aus nur 5 Jahre später zum Marktführer bei Online-Getränkelieferungen in Deutschland zu avancieren. Heute beliefert das Startup Kunden in über 150 Städten von über 30 Standorten aus, hat pro Standort bis zu 400 Mitarbeitende und 400 Fahrzeuge und beglückt seine Kunden mit rund 150‘000 ausgelieferten Kisten pro Tag bei über sieben Millionen Bestellungen pro Jahr. Nach der Übernahme im letzten Quartal 2020 durch den Familenkonzern Oetker und dem Einstampfen des Oetker-eigenen Getränkelieferdienstes Durstexpress zu Gunsten der Marke Flaschenpost steht einer weiteren Expansion mit Oetkers Finanzkraft in einem wachsendem Marktsegment nichts im Wege.
Zudem startete Flaschenpost im September 2020 am Standort Münster einen Test, auch Lebensmittel ins Sortiment aufzunehmen. Als Grosshandelspartner fungiert für Flaschenpost die Bünting Gruppe. Eigenmarken des Handelshauses wie „Goldmarie“ oder „Naturwert“ finden sich dabei ebenfalls im Flaschenpost-Lebensmittelsortiment wieder. Den Umfang des künftigen Angebots will Flaschenpost allerdings auch von seinen logistischen Prozessen abhängig machen, die nicht zu komplex werden sollen. Die Integrationsmöglichkeit der neuen Sortimente hatte das Startup vorab geprüft und für die Zustellung eigens eine gekühlte Lieferbox in Form einer Getränkekiste entwickelt, die sich gut in die bisherigen Logistikabläufe integrieren lässt.
Im Juli 2021 folgte dann der Rollout des neuen Konzepts mit Lebensmitteln in der Region Düsseldorf sowie in Langenfeld. Dabei können Kunden nun aus rund 3‘600 Produkten inklusive Frische und Tiefkühlkost – als Sortimentserweiterung zum bestehenden Getränkesortiment – wählen. Darunter ebenfalls frisches Obst und Gemüse, weitere Lebensmittel-Ankerprodukte sowie Reinigungs- und Drogerieartikel. Des weiteren plant Flaschenpost, auch verstärkt regionale Produkte von Erzeugern und Landwirten, die die Kundinnen und Kunden eher vom Wochenmarkt kennen, ins Sortiment aufzunehmen. Laut Unternehmensangaben ist eine Ausweitung des Liefergebiets auf weitere Metropolregionen angedacht.
Die Value Proposition – was für Lebensmittel von Flaschenpost spricht
Neben den allgemeinen Convenience-Aspekten bei der Online-Lebensmittellieferung hat Flaschenpost gegenüber anderen Online-Supermarkt-Anbietern eine grosse Stärke: Geschwindigkeit. Über die bestehenden Logistikstrukturen ist Flaschenpost in der Lage, nicht nur Getränkebestellungen sondern auch das zusätzliche Lebensmittelortiment innerhalb von zwei Stunden nach Bestelleingang auszuliefern. Nach den derzeit hochgehypten Quick Commerce Anbietern wie Bringoo, Foodpanda, Gorillas oder Flink ist damit Flaschenpost beim Supermarkt-Sortiment online zeitlich weit vorne mit dabei. Knuspr als einziger annähernd schneller Mitspieler liefert derzeit im Raum München innerhalb von drei Stunden an die Kundschaft.
Zudem versucht sich Flaschenpost neben der horizontalen Sortimentsdiversifizierung mit Lebensmitteln ebenfalls an der Erschliessung weiterer Kooperationen und Auslastungsoptimierung der eigenen Logistikstrukturen im Sinne eines Plattformansatzes. Bestes und kluges Beispiel hierfür: Die Kooperation mit About You und für den Kunden kostenlose Mitnahme der Retouren des Fashionanbieters bei Übergabe der Flaschenpost-Bestellung.
Shopaufbau: Bestehendes Layout mit Erweiterungen
Der Shop von Flaschenpost war vor der Erweiterung des Sortiments auf Lebenbensmittel primär auf die Nische Getränke ausgelegt, was dem heutigen Shopdesign auch deutlich anzusehen ist. Positiv zu erwähnen sind die Hauptkategorien der Menüleiste, die jeweils um einen visuellen Anker ergänzt sind, bspw. ein Weinglas für die Kategorie „Wein und mehr“. Dies hilft dem Konsumenten, unbewusst über den visuellen Anker die Information schneller zu dekodieren und aufzunehmen. Der Shop wirkt dadurch nutzerfreundlicher und übersichtlicher.

Umständlicher zeigt sich jedoch in der weiteren Menüführung in der Kategorie Lebensmittel die Darstellung der verschiedenen Unterkategorien. Durch die Vielzahl an Unterkategorien im Lebensmittel-Bereich wird das ausklappende Menü recht lang und die Listendarstellung wirkt unübersichtlich. Gerade abei kleineren Viewports kann dies schnell zum Problem werden.

Die Kategorieseiten zeigen sich aufgeräumt und übersichtlich. Am linken Seitenrand ist nochmals das Menü der aktuell angewählten Kategorie mit auskappbaren Unterkategorien dargestellt. Auch kann noch zusätzlich nach Marken gefiltert werden. Auch ein Breadcrumb zur besseren Orientierung innerhalb der Seitennavigation ist vorhanden. Die dargestellten Produktkacheln überzeugen durch gute Übersicht, enthalten alle vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Infos und sind optisch dezent voneinander abgegrenzt. Zudem kann zwischen einer Kachel- und einer Listenansicht ausgewählt werden.
In der Kacheldarstellung irritiert jedoch etwas das gewählte Dreier-Raster bei der Kachelanordnung und dem so auf grösseren Viewports entstehenden Platz auf der rechten Seite. Dieser könnte gut für eine weitere Kachel genutzt werden. Auch würde eine Erweiterung der Filtermöglichkeiten über den „Marken-Filter“ hinaus weiteren Mehrwert stiften, bspw. hinsichtlich Zusatzstoffen und Allergenen wie Gluten.

Zur Betonung der regionalen Produkte im Shop hat Flaschenpost diesen eine extra Kategorieseite gewidmet, die sich auch leicht im Design vom bisherigen Shop abhebt. Neben einem breiteren Kacheldesign und der fehlenden Menüleiste links besticht diese durch ein Moodbild-Banner am Seitenanfang sowie durch Infos zu den Produzenten am Seitenende. Kategorien oder Filter fehlen jedoch leider.

Die Produktdetailseiten lehnen sich auch im Lebensmittel-Bereich stark an die Darstellung bei den Getränken an. Alle benötigten Infos sind vorhanden, jedoch wirken die Seiten etwas leer. Hier könnte man noch Infos zum Hersteller oder aber auch im Rahmen von Cross-Selling noch weitere ebenfalls passende Produktenoder Alternativen anzeigen. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass sich der Shop von Flaschenpost noch hinsichtlich Lebensmitteln in der Anfangsphase befindet und nach und nach hoffentlich noch Optimierungen im Erscheinungsbild folgen werden.

Fazit
Flaschenpost überzeugt vor allem hinsichtlich der Lieferleistung am gleichen Tag innerhalb von nur zwei Stunden. Und bietet diesen Service auch fernab der grossen Metropolen an, in denen Quick Commerce für den Kunden verfügbar ist. Trotz kleinerer Optimierungsstellschrauben können Shop und Bestellprozess bei Flaschenpost aus Kundensicht als gut verständlich und übersichtlich bezeichnet werden.
Der Einstieg und die Sortimentserweiterung im Bereich Lebensmittel ist für Flaschenpost ein recht smarter Move. Einerseits, da sich so ein Direktabsatzpotential für die Marken des neuen Inhabers Oetker abzeichnet, bei dem Oetker auch seine Kunden und deren Bedürfnisse besser verstehen kann. Andererseits, da der deutsche Markt für E-Food noch in den Kinderschuhen steckt und weiterhin enormes Potential bietet. Es bleibt spannend, wie sich Flaschenpost im E-Food Segment weiter entwickeln wird.
Dieser Beitrag erschien erstmals bei etailment – Das Digital Commerce Magazin von Der Handel
ÜBER DEN AUTOR
Prof. Dr. Matthias Schu ist der führende E-Food-Experte im DACH-Raum und Autor von «Das E-Food Buch». Nach über einem Jahrzehnt in leitenden Positionen in Beratung, Business Development und Projektmanagement im In- und Ausland, lehrt er seit September 2020 als Dozent für E-Commerce und Handel an der Hochschule Luzern. Zudem berät und unterstützt er mit seiner Boutiqueberatung «Dr. Matthias Schu | retail I ecommerce | internationalization strategy», Händler und Industrie bei Projekten, Prozessen und Strategie.
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